· 

„Sein Einsatz ist aller Ehren wert“

Mit dem Ausgezeichneten Hardy Müller (Mitte) freuten sich (von links) Betriebsseelsorgeleiter Manfred Böhm, Weihbischof Herwig Gössl, Müllers Frau Ulrike und Betriebsseelsorger Norbert Jungkunz.Foto: Christiane Dillig
Mit dem Ausgezeichneten Hardy Müller (Mitte) freuten sich (von links) Betriebsseelsorgeleiter Manfred Böhm, Weihbischof Herwig Gössl, Müllers Frau Ulrike und Betriebsseelsorger Norbert Jungkunz.Foto: Christiane Dillig

Bamberg (cid) – Hardy Müller ist „Arbeiter für Gerechtigkeit 2023“. Bei der Preisverleihung im Bistumshaus St. Otto in Bamberg übergab Weihbischof Herwig Gössl dem Betriebsratsvorsitzenden der Werkzeugmaschinenfabrik Waldrich in Coburg eine Bronzeplakette, eine Urkunde und ein Preisgeld. Betriebsseelsorger Norbert Jungkunz hatte zuvor Müller als „Anstifter zur Solidarität, Mahner, Verteidiger und Förderer der Menschlichkeit in der Arbeitswelt und als Lastenträger für die Gerechtigkeit in Betrieb und Gesellschaft“ gewürdigt.
Müller, 1959 in Mönchröden geboren und in Rödental zur Schule gegangen, hatte eine Ausbildung zum Betriebsschlosser beim Annawerk (jetzt Saint Gobain) gemacht und war dort erstmals mit einem Arbeitsplatzverlust infolge von Personalabbau konfrontiert worden. In der Firma hatte er erstmals Kontakt mit einer Gewerkschaft gehabt. Ab 1985 arbeitete Müller bei der Werkzeugmaschinenfabrik Waldrich Coburg in der Montage.
Hier begann er, so Jungkunz in der Laudatio, durch die Mitarbeit im Betriebsrat „die Arbeitsbedingungen mitzugestalten“. 1992 wurde er stellvertretender Vorsitzender; seit 2007 bis heute ist er Vorsitzender des Gremiums. Dort war großes Engagement gefordert, denn die Coburger Maschinenfabrik, vor 102 Jahren gegründet, ging vor Jahren in den Besitz einer amerikanischen Firmengruppe über und wurde insolvent. 2004 wurde sie von einer Siegener Firmengruppe ersteigert und ein Jahr später an „Peking Nummer Eins“ veräußert. Seither ist Waldrich „ein „chinesischer Staatsbetrieb“.
Durch dieses Auf und Ab musste auch die Belegschaft verkleinert wurde, sodass heute nur noch 530 Mitarbeiter die großen Portalfräsmaschinen produzieren. Bei allem Wandel sei das Betriebsratsgremium um Hardy Müller „die wichtige Konstante und Orientierungsgröße“ gewesen. Man habe vor rund zehn Jahren den Austritt der Firma aus dem Arbeitgeberverband verhindern können. Sicherung des Standorts und Erhalt der Arbeitsplätze seien in jüngster Zeit in der mit Absatzproblemen kämpfenden Firma das vorrangige Ziel der Arbeitnehmervertretung gewesen. Es konnte ein Kompromiss gefunden werden, eine Vier-Tage-Woche bei monatlich stabiler Gehaltszahlung.
Mitbestimmung bedeute „den Wert, die Würde und die Bedürfnisse der Menschen im Betrieb auch gegen die Zahlenmystik der Kostenrechner zu stellen.“ Jungkunz: „ Eine bequeme Gleichgültigkeit gegenüber den Fragen nach sozialer Gerechtigkeit hat Dich nie erfasst.“ Dabei habe Müller kritisch hinterfragt und nach Lösungen gesucht, auch auf Netzwerke gesetzt. Ein „lebendiges Team im Betriebsratsgremium“ habe er hinter sich gewusst.
Jungkunz erinnerte auch an Müllers Engagement bei der IG Metall in Coburg, in der Tarifkommission in Bayern und auf Bundesebene. „Die Sorge um Gerechtigkeit und Demokratie endet für Dich nicht am Werkstor.“ Sein Einsatz sei „aller Ehren wert.“
Zuvor hatte der Leiter der Betriebsseelsorge im Erzbistum Bamberg, Dr. Manfred Böhm, auf den Tarifvertrag als „Garant für ein würdiges Leben“ hingewiesen Er erinnerte an den ersten Flächentarifvertrag in der deutschen Geschichte, der vor 150 Jahren, im Mai 1873 durchgesetzt wurde. Der Interessensausgleich zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ohne staatliche Eingriffe, wurde nach dem 2. Weltkrieg gesetzlich festgeschrieben. Flächentarifverträge, die für eine ganze Branche gelten, sorgten für fairen Wettbewerb und gäben den Unternehmen Planungssicherheit.
Böhm bedauerte den Rückgang der Tarifbindung seit dem Ende des letzten Jahrhunderts, denn sie gehe zu Lasten der Arbeitnehmer. Arbeitskräfte seien wieder zu Niedrigpreisen zu bekommen, ohne soziale Verpflichtung und besonderen Kündigungsschutz und ohne „lästige“ Mitbestimmung in den Betrieben. Auch die öffentliche Hand in Bayern setze darauf, den billigsten Anbieter zu wählen, ohne die gesellschaftlichen Folgekosten zu berücksichtigen. „Denn Lohndumping fördert die Armut jetzt und mündet in Armutsrenten später.“
Nicht der billigste Anbieter sollte den Auftrag bekommen, sondern derjenige, der soziale und ökologische Standards einhält, forderte Böhm. Bayern sei inzwischen das einzige Bundesland ohne ein Tariftreuegesetz. Böhm unterstrich seine Aussage mit einem Blick auf die päpstliche Sozialenzyklika „Laborem Exercens“, in der die Lohnfrage als „Dreh- und Angelpunkt der gesamten Sozialethik“ betrachtet wird. Über Löhne würden Lebenschancen verteilt und damit über die Zukunft der Menschen entschieden. Und in „Populorum Progressio“ werde festgestellt, „dass die Wirtschaft ausschließlich dem Menschen zu dienen hat“.
Preisträger Hardy Müller dankte für die Unterstützung, die er bei seiner Betriebsratsarbeit von vielen Seiten, auch von der Betriebsseelsorge erfahren hatte. „Die Arbeit darf sich nicht nur am Kosten-Nutzen-Denken orientieren“, sagte er. Und er freute sich, dass man in Coburg „vieles bewegen konnte“. Bei aller Energie, die angesichts zu findender Lösungen gefordert worden sei und die auch Spuren gesundheitlicher Art hinterlassen habe, sei seine Devise immer gewesen: „Wenn etwas diskutiert wird, muss man dazu auch etwas sagen.“
Der Preis „Arbeiter für Gerechtigkeit“ wurde vom ersten Betriebsseelsorger des Erzbistums, Prälat Norbert Przibyllok, gestiftet.