Es liegt am Menschen, Lösungen zu finden

Karlsruhe (al) – Bettina Limperg ist Präsidentin des Bundesgerichtshofs. Und sie ist Christin. Im Interview erzählt sie, warum ihr Versöhnung so wichtig ist, wie ihr die Bibel und der Glaube in schlimmen Fällen helfen – und wie sie versucht, dem Ideal der Gerechtigkeit möglichst nahezukommen.

Was bedeutet Ihr Glaube Ihnen in Ihrem Beruf als Richterin und Präsidentin des Bundesgerichtshofs?
Limperg: Ich fürchte, ich muss Sie da enttäuschen: Für meine Berufsausübung spielt mein Glaube keine größere Rolle als andere Prägungen wie Erziehung und Erfahrungen. Als Richterin bin ich an Recht und Gesetz gebunden. Da ist kein Spielraum für Glauben. Meine christlichen Werte können vor Gericht nicht Maßstäbe meines Handelns sein.

Wie geht es Ihnen damit, als Christin zu urteilen und zu richten – obwohl in der Bibel steht „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“?
Limperg: Ich empfinde das nicht als Widerspruch. Ich verstehe diese Bibelstelle so, dass man sich nicht über andere Menschen erheben sollte. Dass man sie also nicht in ihrer Menschlichkeit verurteilen soll. Das halte ich für richtig. Als Richterin aber urteile ich über Taten, die Menschen begangen haben. Aber ich urteile nicht über die Menschen selbst und ihre Würde.

Was heißt das für Sie in Ihrem beruflichen Alltag noch: sich nicht über andere zu erheben?
Limperg: Das heißt: Es steht mir nicht zu, einen Menschen in einem Verfahren moralisch zu verurteilen oder einen Sachverhalt nach moralischen Kriterien zu bewerten. „Wie kann man denn nur!“ ist keine rechtliche Kategorie.

Gelingt Ihnen das immer: diesen Satz nicht einmal zu denken?
Limperg: Nein. Als Person denke ich schon manchmal: „Meine Güte, da hätte man doch nun wirklich mal …“ Aber als Richterin darf ich das eben nicht zum Maßstab meines Handelns machen. Natürlich wundere ich mich hier und da. Aber dann muss ich dieses Gefühl schnell wieder vergessen – und sachliche Fragen stellen, die für eine Urteilsfindung zielführend sind.

In welchen Situationen ertappen Sie sich dabei, dass Sie doch mal denken: „Meine Güte …“?
Limperg: Wenn Menschen immer wieder dieselben Fehler machen. Beispielsweise Menschen, die von ihrer Sucht nicht loskommen. Oder Frauen, die sich immer wieder die falschen Männer aussuchen und von jedem neuen Partner geschlagen werden. Das hat etwas Tragisches, und es ist traurig, das zu erleben. Aber jeder weiß ja selbst: Es ist gar nicht so einfach, ein Verhaltensmuster zu durchbrechen und eine Verhaltensveränderung zu schaffen. Das merkt man ja schon, wenn man versucht, in der Fastenzeit sechs Wochen auf Kleinigkeiten zu verzichten.   …

Das ausführliche Interview lesen Sie in der Ausgabe 20/2023