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Zwischen Reformen und Heimatmuseum

Nürnberg (buc) – Das Bild vom wandernden Gottesvolk geht auf den Kirchenvater Augustinus zurück, durch das Zweite Vatikanische Konzil ist es theologisch neu akzentuiert und geschärft worden. Gemeint ist letztlich, dass die Christen allein in Gott eine Heimat haben und finden werden; sie sind „nur Gast auf Erden“, wie es in einem bekannten Kirchenlied heißt, sie sollen sich nicht gemein machen mit Staaten oder Nationen. Sie sind in der Welt, das ja, aber nicht von dieser Welt.
Auf eine gemeinsame Reise hat sich in den vergangenen Jahren auch der Synodale Weg gemacht, ein Gesprächsprozess von Bischöfen und Laien in Deutschland. Ob das Unterfangen, das Antworten auf die Missbrauchsskandale der vergangenen Jahrzehnte finden wollte, nun auf theologische Abwege geraten ist, wie Konservative und Traditionalisten meinen, oder aber bedeutende Reformimpulse für die Zukunft der Kirche zu geben vermag, ist nach dem vorläufigen Ende des Prozesses offen.
Auch wenn die Debatten teils scharf geführt wurden und die Haltungen unversöhnlich schienen – beide Seiten, „bewahrende“ Minderheit und „progressive“ Mehrheit, bleiben im Gespräch. Das zeigte sich bei einer Diskussionsrunde in Nürnberg wenige Tage nach der Schlussversammlung. Das Caritas-Pirckheimer-Haus hatte dazu fünf Teilnehmer des Gesprächsprozesses aus dem Erzbistum geladen: Schwester Franziska Dieterle, Nora Gomringer, Klaus Koschinsky, Christoph Uttenreuther und Weihbischof Herwig Gössl.
Das Interesse an der Veranstaltung war groß, an die 100 Zuhörende waren gekommen, was gar nicht so wirklich zur spürbaren Ignoranz passen wollte, die dem Synodalen Weg in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit und auch in den Pfarrgemeinden entgegengebracht wurde. Nur wenn der Vatikan, ein traditionsfreudiger Oberhirte oder aber die frommen Frauen von „Maria 1.0“ wieder einmal lautstark gegen die vermeintlichen Gottlosigkeiten, kirchenrechtlichen Abwegigkeiten oder gar satanischen Tendenzen der reformistisch gesinnten Synodalen zu Felde zogen, schien man von dem Treiben in Frankfurt am Main noch Notiz zu nehmen.
In Nürnberg hingegen ergab sich eine erstaunlich sachliche und zielführende, ja zukunftsweisende Diskussion. Schon zum Auftakt sagte Günther Heß, Vorsitzender des Diözesanrats, einen sehr wahren Satz: „Die katholische Kirche ist nach dem Synodalen Weg nicht mehr die, die sie vorher war.“ Zum ersten Mal habe man so etwas wie Demokratie erlebt. Er deutete damit an, dass sich synodale Elemente als Gegengewicht zu den amtskirchlich verfassten Machtstrukturen und nicht zuletzt zur bischöfichen Gewalt nie mehr ganz vertreiben lassen dürften.
Auch Klaus Koschinsky, vom Diözesanrat in den Synodalen Weg entsandt, sprach von einer veränderten Kirche und betonte die Augenhöhe, auf der diskutiert worden sei. Herwig Gössl machte kein Hehl daraus, in Frankfurt zur Minderheit gehört zu haben, indem er aus einer Arbeitsgruppe berichtete: „Es waren nicht alle einer Meinung, vor allem nicht meiner Meinung, eigentlich keiner.“ Doch sprach er auch vom Bemühen beider Seiten, gemeinsame Nenner zu finden.
Franziskanerschwester Dieterle sagte, den Ordensleuten sei beim Synodalen Weg aufmerksam zugehört worden. Bei den erarbeiteten Texten seien viele Kompromisse gemacht worden, es gebe „viel Luft nach oben“. Ihre eigene „Frustgeschichte“ in der katholischen Kirche, fügte die 47-jährige Ordensfrau hinzu, sei ebenso lang wie ihre „Engagementgeschichte“. Die Literatin Nora Gomringer nahm an dem Gesprächsprozess nach eigenem Bekunden eher auf einem „inneren Weg“ teil, meinte aber bei den Versammlungen, an denen sie teilnahm, durchaus einen Geist des Aufbruchs zu spüren.
Kein Blatt vor den Mund nahm sich der Bamberger Dekan Christoph Uttenreuther, Vertreter des Priesterrats im Synodalen Weg: „Wenn sich die Kirche nicht ändert, wird sie bestenfalls noch als Heimatmuseum erlebt werden.“ Er vermisste klare und kurze Botschaften, die der Gesprächsprozess hätte senden können. Und er beklagte einen Mangel an Spiritualität. Zufrieden äußerte er sich hingegen über einige Beschlüsse. So gebe es den „dringenden Wunsch, Priesteramt und Zölibat zu entkoppeln“. Uttenreuther gehört als einziger Bamberger dem Synodalen Ausschuss an, der die Arbeit des Synodalen Wegs fortsetzen soll.