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Hilfswerk sieht in EU-Entscheidung "Desaster für Menschenrechte"

Brüssel/Aachen (KNA) - Mehrere Entwicklungsorganisationen haben den Beschluss des EU-Parlaments zur unternehmerischen Verantwortung über Lieferketten kritisiert. Er sei ein "Desaster für die Menschenrechte und die EU", so der Menschenrechtsexperte Armin Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor am Donnerstag in Aachen. Die Umweltorganisation Germanwatch warnte, dass diese Entscheidung die Glaubwürdigkeit der EU als globale Vorreiterin für Menschenrechte und nachhaltiges Wirtschaften beschädige. Sie warf der konservativen EVP die "Verwässerung eines zentralen Menschenrechts- und Umweltgesetzes" vor.

 

Das EU-Parlament stimmte am Donnerstag für weitreichende Lockerungen des EU-Lieferkettengesetzes. So sollen in Zukunft nur noch Unternehmen mit mehr als 1.750 Angestellten über soziale und ökologische Themen Bericht erstatten. Sorgfaltspflichten entlang der globalen Lieferkette sollen nur noch für Unternehmen mit mehr als 5.000 Angestellten und einem Jahresumsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro gelten.

 

"Politischer Dammbruch"

 

Die Initiative Lieferkettengesetz, zu der neben Misereor und Germanwatch etwa Oxfam, der BUND und Brot für die Welt gehören, kritisierte: "Durch die gemeinsame Mehrheit von Europäischer Volkspartei und rechtsextremen Fraktionen wurde die EU-Lieferkettenrichtlinie bis zur Unkenntlichkeit abgeschwächt - ein politischer Dammbruch mit unmittelbaren Folgen für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt sowie die politische Stabilität der EU."

 

Hintergrund der Kritik ist, dass es für das Vorhaben keine Mehrheit der pro-europäischen Mitte gab, die sonst üblicherweise vor Abstimmungen Kompromisse aushandelt und so eine Parlamentsmehrheit bildet. Die EVP betont die Entlastungen für die Wirtschaft und wirft den Sozialdemokraten im Parlament vor, keine Kompromisse eingegangen zu sein. Die Sozialdemokraten zeigen mit dem Finger auf die Parteienfamilie der CDU/CSU, die nicht zu Kompromissen bereit gewesen sei.

 

Am Dienstag beginnen die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedsstaaten. Bis Ende des Jahres sollen sie abgeschlossen sein.

 

Billige Kleidung auf Kosten der Arbeiter

 

Das EU-Lieferkettengesetz wurde endgültig im April vergangenen Jahres beschlossen. Einschneidend für Debatten um die Verantwortung von Firmen für ihre Produkte entlang der ganzen Lieferkette war der Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch. 2013 starben in Rana Plaza mehr als 1.100 Frauen, weil zu wenig Rücksicht auf Arbeitssicherheit gelegt wurde. Damals war das Entsetzen in Europa groß. Denn in Rana Plaza, wie in anderen Fabriken in Bangladesch, werden T-Shirts, Hosen und Hemden genäht, die am Ende in den Filialen in Deutschland und Europa zu kaufen sind.