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In Babel auf Sendung

„Sprecht so, dass man euch versteht. Bleibt im Dialog.“ Diesen Rat gab der kirchliche Senderbeauftragte, Monsignore Erwin Albrecht, in seinem Impulsreferat den Teilnehmern des Otto-Tags mit auf den Weg. Foto: Harry Luck
„Sprecht so, dass man euch versteht. Bleibt im Dialog.“ Diesen Rat gab der kirchliche Senderbeauftragte, Monsignore Erwin Albrecht, in seinem Impulsreferat den Teilnehmern des Otto-Tags mit auf den Weg. Foto: Harry Luck

Bamberg (eob) – Wie kann Evangelisierung in einer Zeit der modernen Sprachverwirrung gelingen? Und welche Rolle spielt die Liturgie dabei? Darüber sprach Monsignore Erwin Albrecht, ARD-Beauftragter der bayerischen Bischöfe, in der vergangenen Woche beim Otto-Tag in Bamberg. 

 

Erzbischof Herwig Gössl stellte zur Begrüßung vor den Priestern und Diakonen im Bistumshaus St. Otto fest, dass die christliche Botschaft immer weniger Gehör finde. Es fehle oft das Verständnis, das Wort aufzunehmen. Dem stimmte Albrecht zu: „Mit diesem Problem kämpfen wir in einer auseinander driftenden Welt.“ In dieser Welt verglich er seine Arbeit als kirchlicher Senderbeauftragter mit einem Bild: „In Babel auf Sendung“, so verstehe er seinen Dienst beim Bayerischen Rundfunk. „Ich versuche, über Radio, Fernsehen und Internet wertvolle, lebensrelevante Inhalte in die Gesellschaft einzuspeisen.“ 

Das biblische Urbild dazu sieht er im Turmbau zu Babel: Gott habe die Menschen als eine Menschheit gedacht, fähig zu Großem, solange sie eine Sprache sprechen. „Doch wo wir den Himmel stürmen und Allmächtige spielen wollen, endet es in Sprachverwirrung.“ 

 

Diese Diagnose sei „beschämend aktuell“: „Trotz KI und Übersetzungs-Apps reden wir immer öfter aneinander vorbei, auch in der Kirche. Vieles bleibt stumm, wenn nicht das Wort dazukommt, das erklärt, warum wir tun, was wir tun.“

Wie groß die Distanz ist, machte Albrecht an zwei persönlichen Irritationen fest. Eine Jugendliche sagte ihm schon vor drei Jahrzehnten: „Du lebst in einem völlig anderen Space! Schon eure Sprache!“ Diese heilsame Verunsicherung begleite ihn bis heute: „Wie rede ich so, dass es als sinnvoll und lebensrelevant verstanden wird?“ Paulus habe die Frage schon gestellt: „Wenn ihr in Zungen redet und kein verständliches Wort hervorbringt … ihr redet nur in den Wind.“

 

Die zweite Irritation erlebte Albrecht als Kaplan, als ihm jemand sagte: „Ihr gebt Antworten auf Fragen, die keiner mehr hat – in einer Sprache, die niemand mehr versteht.“ Das ändere den Startpunkt der Predigtvorbereitung: „Nicht: Was will ich sagen? Sondern: Was bewegt meine Zuhörer – heute, hier, jetzt?“ Die Menschen bewege die Angst vor Krieg oder die Sorge um die Rente. Hierauf solle die Predigt eine sinnvolle Antwort geben und biblisch begründen. Sie solle nicht als Antwort aus einem „entfernten Theologen-Space“ empfunden werden. Verkündigung sei keine verbale Einbahnstraße.

 

Uwe am Set, Ralf im Schnitt

 

Konkrete Korrektive erlebt Albrecht in der BR-Praxis. „Uwe, unser Kameraassistent, ist für mich der erste Hörer. Wenn er stutzt, stutze ich auch.“ So sagte ein Bischof am Dreikönigstag: „Beim Anblick des göttlichen Geheimnisses erkennen die Könige ihre wahre Berufung.“ Uwe fragte: „Was für ein Geheimnis? Was will Gott mir verheimlichen? Und gibt es eine falsche Berufung?“ – „Da merkte ich“, so Albrecht, „wie alltagssprachliche Bedeutungen theologische Intentionen ins Gegenteil verkehren können.“ Ähnlich im Schneideraum, wo Cutter Ralf über den Satz eines Kardinals stolperte: „Das Blut der Märtyrer war der Same für die Kirche.“ Ralf fühlte sich sofort an religiösen Fanatismus erinnert und fragte: „Habt ihr als Christen auch so Verrückte, die sich in die Luft sprengen?“ Ralf habe wohl nie Tertullian gelesen, stellte Albrecht fest, aber er sei die Stimme des Volkes. Sein Resümee: „Viele religiöse Begriffe sind neu besetzt und missverständlich geworden.“

 

Wie Missverständnisse entstehen, zeigte Albrecht mit einem Erlebnis am Münchner Flughafen, wo zum kirchlichen Fast- und Abstinenztag ein Karfreitags-Gourmet-Menü angeboten wurde mit Carpaccio vom Rind, pochiertem Wildlachs, Austern, Sushi, verschiedenen Kaviarsorten und Schokobrunnen. 

 

Auch unter Begriffen wie Himmel, Opfer, Sünde und Erlösung werde nicht immer dasselbe verstanden. Das gelte, ganz aktuell, auch für den Begriff „Volk Israel“. Der Nachrichten-Zuschauer denke dabei eher den heutigen Staat Israel und nicht an das auserwählte Volk Gottes. „Religiöse Sprache ist für viele zu einer Fremdsprache geworden. Religiöse Begriffe führen ein flottes Eigenleben und bekommen neue Bedeutungen“, so Albrecht. Zugleich werde die Bibel als Zitatensammlung missbraucht und so verwendet, wie es gerade passe. 

 

„Gott“ als Abschaltimpuls?

 

Untersuchungen des Verhaltens von TV-Zuschauern beim „Wort zum Sonntag“ hätten gezeigt, dass kirchliche Kernbegriffe wie „Gott“, „Auferstehung“ oder „Gnade“ zum Abschaltimpuls werden. „Wer die Sprache nicht versteht, schaltet ab“, stellte Albrecht fest. 

 

Was folgt daraus? „Wenn es eine Sprachbarriere gibt, muss einer die Sprache des anderen lernen – am besten beide“, sagte Albrecht. „Ich muss meine Binnenwelt verlassen, Land und Leute der anderen kennenlernen, mich berühren lassen. Dann vereinfache ich, beschränke mich aufs Wesentliche – und halte meine Welt so einladend offen, dass andere Lust bekommen, sie zu entdecken.“ Dabei wolle er nicht gegen theologische Fachsprache wettern. „Die braucht es im theologischen Diskurs, aber sie muss übersetzt werden.“ 

 

Kosmetische Lösungen reichen nach Worten Albrechts aber nicht aus: „Es genügt nicht, alten Mustern nur alltagssprachliche Etiketten aufzukleben. Es braucht den dialogischen Prozess: hören, dann sprechen; mit dem Leben reden, nicht nur mit Worten.“ Ziel sei, „den Mehrwert der Botschaft Jesu für das eigene Leben neu zu entdecken“.

Rückenwind für seine Thesen spürt Albrecht aus Rom, wo er regelmäßig die Fernsehübertragungen vom Petersplatz kommentiert: „Papst Leo XIV. hat den neuen Bischöfen am 11. September gesagt: Erneuert euren Kontakt mit der Welt. Die im Seminar vor 25 Jahren gelernten Standardantworten reichen nicht.“

 

Albrechts Appell zum Schluss an die Priester und Diakone: „Sprecht so, dass man euch versteht. Bleibt im Dialog.“ Evangelisierung stelle sich dann ein „wie von selbst“.