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Neuer Studiengang überzeugt Studierende

Münster (KNA) – Pioniere im Gesundheitssystem sucht die Uni Münster für ihren Masterstudiengang Spiritual Care. Im Wintersemester startet der zweite Jahrgang dieses neuen Studiengangs. Zwei der vier Pioniere, die gerade ihr zweites Semester absolvieren, berichten, was der neue Bildungsweg bietet, der „neue Wege in der ganzheitlichen Begleitung und Beratung von Menschen in Krankheit, Krise und Leid“ verspricht. 

 

Beide kommen sie aus dem medizinisch-theologischen Grenzbereich: Carolin Müller hat erst eine theologische Ausbildung gemacht und anschließend Logopädie studiert. „Ich habe in der Praxis, im Krankenhaus beim Arbeiten gemerkt, dass ich die Leute viel lieber auf einer geistlichen oder persönlichen Ebene betreuen will, weil das oft zu kurz kommt“, erklärt sie gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sie habe speziell nach einer theologischen Zusatzqualifikation für den medizinischen Bereich gesucht und sei durch Zufall auf das neue Angebot in Münster gestoßen. Schon jetzt, im zweiten Semester, helfe ihr das Studium bei der Arbeit im Krankenhaus, berichtet Müller. 

 

Glaubensfragen im Gesundheitskontext 

 

Während sie als studierte Sprachtherapeutin im Masterstudiengang als Vertreterin der „Kohorte G“ (mit gesundheitsberuflichem Bachelor) gilt, zählt ihr Mitstudent Tobias Laubrock zur „Kohorte T“ (mit theologisch-religionspädagogischem Studienabschluss). Er hat nach einer Ausbildung bei einer Krankenversicherung katholische Theologie studiert. Ehrenamtlich absolvierte er außerdem eine Ausbildung in der Sterbe- und Trauerbegleitung. Bei einem Blick in die Studiengangsliste der Uni Münster faszinierte ihn Spiritual Care: „Da werden Glaubensfragen im Kontext vom Gesundheitswesen noch mal neu gestellt“, sagte sich Laubrock – und schrieb sich ein. 

 

An der Uni Münster ist Spiritual Care im Fachbereich Evangelische Theologie angesiedelt. Auf dem Stundenplan stehen nicht nur Fragen von Krankheit und Gesundheit: Die Kohorte G denkt sich ein in die theologische Arbeitsweise, in Menschenbild und biblische Grundlagen. Die Theologen und Theologinnen beschäftigen sich dagegen mit der medizinischen Arbeitsweise und medizinischen Handlungsfeldern. 

 

Während Müller viele Veranstaltungen der evangelisch-theologischen Fakultät besucht, die Theologiestudierende auch belegen, sind die meisten Veranstaltungen im Gesundheitsbereich speziell auf die Bedürfnisse der Theologen-Kohorte zugeschnitten. 

 

Der Studiengang verbindet von Anfang an Praxis und Theorie. Mit erfahrungsbasierten Übungen lernen die Studierenden Rituale für die Praxis kennen und üben sich in pastoralpsychologischen Gesprächsmethoden. Vor der Masterarbeit sind auch ein theoriebegleitetes Praktikum und ein Praktikum in „Forschender Spiritual Care“ Teil des Studienaufbaus. 

 

Stand heute wünschen sich die Studierenden noch etwas mehr Praxisbeispiele, auch in den theoretischen Phasen des Studiums – obwohl sie wissen: Der große praktische Teil kommt noch. Laubrock gibt ein Beispiel: Wenn es darum gehe, dass im Gesundheitswesen ein Patient aus religiösen Gründen eine Behandlung ablehnt – wie geht man damit um? „Wie kann man im Team mit Medizinern und Pflegenden kommunizieren, dass der Patient diese Behandlung ablehnt? Oder wie kann man mit ihm reden, dass er zu der Behandlung doch noch zustimmt?“ 

 

Müller fände es wichtig, den eigenen Glauben nochmal verstärkt zu reflektieren und zu lernen, die eigene Spiritualität in Worte zu fassen. Denn genau das sei später für den Beruf wichtig. 

 

Die nur drei Studentinnen und ein Student im neuen Masterstudiengang erleben sich als Team, das auch viele persönliche Themen bespricht, sagt Müller. Trotz verschiedener Ausgangspunkte haben sie „das Herzstück des Studiengangs“, wie Laubrock es nennt, also Hauptseminare zum Thema „Spiritual Care“ und zur „Selbstreflexion als Spiritual-Care-Giver“ alle vier zusammen. Dieses Mini-Studien-Team hat Gelegenheit, die Kultur des Studiengangs zu prägen: Der lebe davon, „was wir selbst mit reinbringen“, sagt Müller. Und Laubrock bestätigt: „Wenn wir irgendwas an die Studiengangsleitung rückmelden wollen, haben wir große Freiheit.“

 

Und Studiengangskoordinatorin Sabine Joy Ihben-Bahl ist angetan von ihren Pionieren: Sie findet es „ganz typisch“, dass Spiritual Care erst einmal mit wenigen Studierenden gestartet ist. Die vier seien alle samt „hoch engagiert“ erklärt sie. Aktuell bereite sie deren drittes Studiensemester vor, in dem ihre Studierende unter anderem ein Klinischer Seelsorgekurs erwarte – und eine internationale Winterschool. 

 

Ihben-Bahl rechnet im zweiten Spiritual-Care-Jahrgang mit deutlich mehr Anmeldungen, „denn seit gut einem Dreivierteljahr führe ich sehr viele Beratungsgespräche“, erklärt sie. Etliche Interessierte hätten erst vor Kurzem von der Existenz des Studiengangs erfahren. 

 

Pioniergeist nicht nur im Studiengang gefragt

 

Pioniergeist sieht Laubrock nicht nur beim Weiterentwickeln des Studiengangs gefragt: „Wir wissen, dass Seelsorge in Krankenhäusern oder in Gesundheitseinrichtungen in der aktuellen Form wahrscheinlich wegfallen wird, einfach weil das Personal bei den beiden großen Kirchen so nicht mehr da ist.“ Dafür sei es besonders wichtig, Fachpersonal auszubilden, das auch abseits von kirchlicher Ausbildung Zugangswege zu Berufsfeldern wie Seelsorge bekomme. 

So könnten Absolventen des Spiritual Care-Studiengangs hier auch als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wirken. 

„In immer mehr Arbeitsfeldern im Gesundheitswesen wird Spiritual Care Bestandteil des Versorgungskonzepts sein – von der Begleitung und Beratung kranker und vulnerabler Menschen und ihrer An- und Zugehörigen über die Unterstützung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Pflege und Medizin bis hin zu Bildung und Management in Human Resources“, heißt es im Informationsflyer zum Studiengang. 

 

So sei Spiritual Care ein Masterstudiengang, mit dem Absolventinnen und Absolventen „die Zukunft des Gesundheitssektors und der Gesellschaft mitgestalten“. 

 

Die berufliche Zukunft mitgestalten

 

Wie das konkret für sie persönlich einmal aussehen soll, wissen Müller und Laubrock noch nicht. Laubrock könnte sich einen späteren Einsatz in der Krankenhausseelsorge vorstellen, ist aber auch offen für andere Entwicklungen. Müller empfiehlt das Studium von Spiritual Care vor allem Menschen, die Lust darauf haben, etwas zu verändern und die „offen sind für vielleicht noch ungewisse Berufswege“.

 

Laubrock sieht Spiritual Care einerseits als passendes Angebot für medizinisch pflegerisches Fachpersonal, „das merkt, dass es Fragen gibt, zum Beispiel am Lebensende, die die Medizin oder das Pflegerische alleine nicht beantworten können“. Auf der anderen Seite empfiehlt er den Masterstudiengang all jenen Theologen, die nach einem Weg suchen, das Evangelium außerhalb der Kirchenmauern zu verkünden.