Bonn (KNA) - Nach ihrem Talkshow-Auftritt am Dienstag sucht die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf weiter das Gespräch mit ihren Kritikern. Am Donnerstag telefonierte sie mit dem Bamberger Erzbischof Herwig Gössl, wie das Erzbistum mitteilte. Das Gespräch sei "von gegenseitigem Respekt geprägt" gewesen. Gössl habe dabei eingeräumt, über die Position der Juristin zum Thema Lebensschutz falsch informiert gewesen zu sein. Am Sonntag hatte er in einer Predigt gesagt, Brosius-Gersdorf bestreite angeblich das Lebensrecht ungeborener Menschen. Das bedaure er nachdrücklich. Der Erzbischof hält laut Mitteilung des Erzbistums weiterhin daran fest, dass es keinen abgestuften Lebensschutz geben könne.
Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber kritisiert die Rolle seines Nachfolgers Jens Spahn. Es seien nicht die rechten Kanäle gewesen, die besonderen Einfluss auf Abgeordnete von CDU und CSU ausgeübt hätten. Viel mehr habe es in der Fraktion schon lange vor der öffentlichen Debatte Vorbehalte gegeben. "Das hätte die Fraktionsführung, wenn sie in die Fraktion reingehört hätte, auch schon eine Woche vorher wissen müssen", sagte Tauber der "Frankfurter Rundschau" (Freitag). Die Richterwahl hätte dann frühzeitig abgesagt werden können.
Auf eine steigende Zahl öffentlicher Angriffe auf Frauen und Diffamierungen macht die Organisation UN Women Deutschland aufmerksam. Der Fall Brosius-Gersdorf zeige, "wie antifeministische Netzwerke gezielt Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können". Frauen, die sich für Frauenrechte, Geschlechtergleichstellung und Demokratie einsetzten, erlebten weltweit zunehmend Hass, Einschüchterung und Gewalt.
Kritik aus Kirche an kirchlichen Stimmen
Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, verteidigte Brosius-Gersdorf gegen Diffamierungen. "Diese Frau hat es nicht verdient, so beschädigt zu werden", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Freitag). Auf die Frage, ob Vertreter der Kirche die Diskussion um die Verfassungsrichterwahl angeheizt hätten, sagte Bätzing: "In dieser gesamten Debatte ist viel schiefgelaufen." Viele Personen, die mit der Richterwahl befasst seien, seien dadurch beschädigt worden.
Die Initiative Maria 2.0 kritisierte in einer Stellungnahme mehrere Bischöfe für ihre Aussagen in der Debatte. Das seien Formulierungen, die mehr polarisierten als zur sachlichen Auseinandersetzung beizutragen.
Auch der katholische Theologe und Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl äußerte sich kritisch: Er halte die Einbringung von kirchlicher Seite in die Debatte in vielerlei Hinsicht für unglücklich, sagte Lob-Hüdepohl der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Die Entscheidung allein von der dann auch noch falsch fixierten Position zum Schwangerschaftsabbruch abhängig zu machen, halte ich für fatal."
Vorbehalte gegen Brosius-Gersdorf
Brosius-Gersdorf war von der SPD als Richterin für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen worden. Die für vergangenen Freitag geplante Wahl kam nicht zustande, nachdem in der Unionsfraktion Vorbehalte gegen die Juristin laut geworden waren. Im Zentrum der Kritik stand unter anderem ein Satz der Verfassungsrechtlerin in einem Kommissionsbericht zum Thema Abtreibung aus dem vergangenen Jahr. Darin schreibt sie: "Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt."
Gegen die Vorwürfe setzte sich Brosius-Gersdorf jedoch zur Wehr. In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz sagte die Juristin am Dienstagabend: "Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt." Falsch sei auch, "dass ich gesagt haben soll oder geschrieben haben soll, dass der Embryo kein Lebensrecht hat".