Hannover (KNA) – In der Diskussion um die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Bundesverfassungsrichterin hat Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die katholische Kirche gegen Kritik verteidigt. "Dass Vertreter der katholischen Kirche ihre grundsätzlichen Überzeugungen zum Thema Menschenwürde des ungeborenen Lebens zum Ausdruck bringen, sollte man ihr nicht übelnehmen", sagte Thierse dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). "Wenn man Stellungnahmen der Kirchen zu bestimmten Themen ausdrücklich wünscht, dann sollte man sie nicht beschimpfen, wenn einem Stellungnahmen zu anderen Themen nicht gefallen."
Die Wahl von Brosius-Gersdorf zur Bundesverfassungsrichterin, die von der SPD für das Amt vorgeschlagen worden war, war am Freitag zunächst gescheitert. Vorbehalte existieren vor allem bei CDU und CSU sowie auch bei der katholischen Kirche wegen der liberalen Haltung der 54 Jahre alten Juristin zur Abtreibungsregelung. So nannte der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl diese Haltung einen "innenpolitischen Skandal". SPD-Fraktionschef Matthias Miersch zeigte sich daraufhin empört, "wie sich prominente Bischöfe und Kardinäle in diese Sache eingeschaltet haben".
"Kandidatin selbst zu Wort kommen lassen"
Thierse gehörte lange Jahre dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, dem obersten Gremium des Laienkatholizismus in Deutschland, an. Seine Kritik richtete er nun in erster Linie an die SPD, seine eigene Partei. Er riet ihr, "die Schärfe der Auseinandersetzung herunter zu dimmen und kritische Äußerungen nicht nur als Kampagne zu empfinden - selbst wenn es Hetze gegeben hat". Die Union mahnte er hingegen, Meinungspluralität auch im Bundesverfassungsgericht zuzulassen. "Insgesamt wäre es gut, wenn man sich jetzt gründlich mit den anstehenden Fragen beschäftigen und die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf selbst zu Wort kommen lassen würde", betonte Thierse.