
Nürnberg (buc) – Die Zeiten sind längst vorbei, in denen katholische Pfarrer von der Kanzel herab unverblümt zur Wahl der Unionsparteien aufriefen, wobei sie die politischen Mitbewerber gern samt und sonders zu Gegnern oder gar Feinden des Christentums erklärten. Drei Viertel der Gläubigen machten ihr Kreuz dann tatsächlich bei CDU oder CSU. Das ist Vergangenheit, doch eine gewisse Nähe der katholischen Kirche zu den Parteien, die das „C“ im Namen führen, ist geblieben. Auch wenn diese Nähe gerade in jüngster Zeit verschiedentlich auf die Probe gestellt wird.
Grund genug für die Erlanger Ortsgemeinschaft der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) unter dem Stichwort „Christliche Politik in unserer Zeit“ nach dem Verhältnis von katholischer Kirche und CSU zu fragen. Jene letztere trägt in Bayern bekanntlich gern eine Art konservativen Alleinvertretungsanspruch vor sich her, scheint als stets breitbeinig auftretende Regierungspartei das Monopol in der weiß-blauen Parteienlandschaft für sich zu beanspruchen und sich deutschlandweit einen soliden Ruf als politische Besserwisserin erarbeitet.
Joachim Herrmann gilt nicht eben als einer der CSU-Lautsprecher, doch in seiner Heimatstadt Erlangen weiß der bayerische Innenminister durchaus markante Punkte zu setzen beim Thema Kirche und CSU. Als Herausforderungen nennt er etwa den Kampf gegen die Liberalisierung des Abtreibungsrechts und gegen aktive Sterbehilfe. Die Säkularisierung geht aus seiner Sicht zu weit: „Wenn dieses Land nur noch von Atheisten bewohnt wäre“, sagt Herrmann, hätten wir ein Problem mit dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft.“
KKV-Landesvorsitzender Georg Steiner pflichtet ihm bei, spricht von mangelnder Debattenkultur, rückläufiger Meinungsvielfalt und einer „geistigen Klimakrise“. Steiner, selbst CSU-Lokalpolitiker in Passau, wirbt zudem für mehr Markt und weniger Gemeinwohlorientierung, kritisiert den jüngsten evangelischen Kirchentag in Hannover als „links“ und „woke“.
Auch Kurt Höller, Erlanger CSU-Kreisvorsitzender und Stadtrat, beklagt das „ideologisch-moralische Überlegenheitsgefühl“ des politischen Gegners. Sozialer Wohnungsbau sei für die gedacht, die sich für die Gemeinschaft einsetzten, nicht für Flüchtlinge oder Arbeitslose. Stichwort sozialer Wohnungsbau: Herrmann hält den Kirchen vor, gerade in diesem Bereich „zu wenig“ zu machen. Der Vorwurf erstaunt, führt man sich vor Augen, welches Engagement etwa die Bamberger Joseph-Stiftung in diesem Bereich an den Tag legt.
Dem ehemaligen KKV-Landesvorsitzenden Klaus-Stefan Krieger, den im vergangenen Jahr eine schwere Erkrankung zum Rückzug zwang, blieb es dann vorbehalten, auf die jüngsten Spannungen zwischen Unionspolitikern und Kirchenvertretern hinzuweisen. Die Frage, wie „politisch“ ein Christ sein kann oder wie „unpolitisch“ er überhaupt sein darf, fand indes bei der gleichwohl spannenden Diskussion keine greifbare Antwort.
Die Dinge, so scheint es, haben sich allesamt ein wenig geändert. Das brachte nicht zuletzt Höller zum Ausdruck: Natürlich tue es weh, so der örtliche Parteifunktionär in seinem Schlusswort, wenn heutzutage von der Kanzel herab gegen die CSU gewettert werde. Seinen Schmerz zu lindern, mögen ihn recht viele Christenmenschen in ihr Nachtgebet einschließen, auch wenn Drei-Viertel-Mehrheiten für alle Zeiten passé sind.