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Theologe weist Brandmüllers Konzilsthesen zurück - "Lernverweigerung"

Wien/Bonn (KNA) – Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück diagnostiziert beim deutschen Kardinal Walter Brandmüller (96) "hartnäckige Lernverweigerung" über den Stellenwert des Zweiten Vatikanischen Konzils. Brandmüller hätte zum Konzil besser geschwiegen, schreibt Tück in einem Gastbeitrag für das Portal katholisch.de (Freitag).

 

Der vatikanische Kirchenhistoriker Brandmüller hatte in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gesagt, die Dokumente des Konzils zum Ökumenismus, zum interreligiösen Dialog und zur Religions- und Gewissensfreiheit seien "zeitbedingte Erklärungen, die mittlerweile überholt sind". Andere, zentralere Konzilsdokumente hätten dagegen Bestand.

 

Tück schreibt, Brandmüller, der von 1998 bis 2009 Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft war, habe sich schon früher als fragwürdiger Interpret des Konzils erwiesen und sich theologisch den traditionalistischen Piusbrüdern angedient. Auf die vielstimmige Kritik "an seiner kühnen Relativierung zentraler Lehren des Konzils", etwa auch von den deutschsprachigen Kurienkardinälen Walter Kasper und Kurt Koch, gehe Brandmüller dagegen gar nicht ein.

 

"Für moderne Gesellschaften wesentlich"

 

Die Konzilserklärungen, die Brandmüller für unverbindlich halte, seien "in den Konstitutionen, die er ausdrücklich anerkennt, theologisch verankert", argumentiert Tück. Wenn der Kardinal die Dokumente zu interreligiösem Dialog und Religionsfreiheit für überholt erkläre, taste er "das Erbe des Konzils an, denn die Grundlagen für beide Erklärungen sind in den Konstitutionen gelegt". Heute zeige sich erst, wie zukunftsweisend diese Dokumente seien. Denn für moderne Gesellschaften sei "die Verständigung zwischen Religionen und die Anerkennung der Religions- und Gewissensfreiheit wesentlich".

 

Das Konzil, so Tück, habe das moderne Menschenrechtsdenken bekräftigt - was Brandmüller "symptomatischerweise erst gar nicht erwähnt". Wer diese Entscheidungen "schlichtweg für überholt' erklärt, um den Piusbrüdern einen Köder hinzuhalten", falle theologisch hinter das Konzil zurück. Gerade in Zeiten eines weltweit neu aufkommenden Antisemitismus gelte es, das Erbe des Konzils entschieden hochzuhalten, fordert Tück. Das bedeute auch, das "keineswegs einfache Gespräch mit dem Islam" weiterzuführen.

 

"Elastische Haltung gegenüber Autokraten"

 

Die Aussagen des Konzils zu Menschenrechten, Religions- und Gewissensfreiheit böten in Zeiten, in denen der liberale demokratische Rechtsstaat angefragt, ja gefährdet sei und autokratische Tendenzen in der Politik zunähmen, auch "einen Maßstab, die allzu elastische Haltung mancher Bischöfe gegenüber Autokraten zurückzuweisen", schließt Tück.

Kardinal Brandmüller füge dem Ansehen der katholischen Kirche massiven Schaden zu, wenn er diese wichtigen Weichenstellungen des Konzils für überholt erkläre. "Er hätte besser geschwiegen." - Die katholische Kirche begeht dieser Tage (8. Dezember) den Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 60 Jahren.